E-3 Interview mit Frank Schuler, SAP Mentor und Vice President SAP Technical Architecture bei Syniti:
Während zahlreiche SAP-Bestandskunden die technische Transformation auf die Datenbankplattform Hana durchführen, ist laut Aussage der DSAG-Investitionsumfrage die Adaption von S/4 noch hinter der Erwartungshaltung:
Wie erklärt man sich bei Syniti diese Zurückhaltung gegenüber S/4?
Frank Schuler: Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe für die momentane Zurückhaltung: Erstens, SAP S/4 Hana ist noch nicht funktionsäquivalent zu SAP ECC 6.0, noch sind nicht alle Branchenlösungen vollständig umgesetzt.
SAP hat die Entwicklungsplanung zwar veröffentlicht, aber entsprechend warten manche Kunden noch ab.
Zweitens. der Umstieg kann komplex sein, ein detaillierter Umstellungsplan ist unumgänglich. Nicht alle Kunden haben einen solchen ausführbaren Plan.
Da zum Beispiel Module im Personalwesen und im Einkauf nicht mehr im S/4-Hana-Kern, sondern in Cloud-Anwendungen zur Verfügung gestellt werden, ist eine Cloud-Strategie notwendig.
Ähnliches gilt für Schnittstellen, Anpassungen und die Benutzeroberfläche: Die Integration von lokalen Lösungen mit Cloud-Anwendungen erfordert eine für Echtzeitverarbeitung ausgelegte Schnittstellenstrategie und eventuell die Ergänzung bestehender Entwicklungsstandards.
Und: Um das Potenzial der neuen Benutzeroberfläche SAP Fiori voll zu nutzen und Anwender zu überzeugen, sind externe Zugriffsstrategien inklusive Sicherheitskonzepten erforderlich.
SAP bewirbt S/4 auch mit innovativen, neuen Geschäftsprozessen – aber was zählt mehr: Daten-Management oder Prozess-Management?
Schuler: Im Endeffekt bringen natürlich verbesserte Geschäftsprozesse den Mehrwert, aber damit diese funktionieren, müssen die Daten stimmen, sonst gibt es zum Beispiel Medienbrüche.
Darüber hinaus erfordert künstliche Intelligenz eine ganz neue Art von Datenqualität. Selbst wenn die Daten korrekt, eindeutig und relevant sind, können sie etwa immer noch voreingenommen sein, was nicht zu optimalen Ergebnissen führt.
Ein hoher Datenqualitätsstandard ist nur mit funktionierendem Daten-Management möglich.
Wie bewerten Sie aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile des Greenfield- und Brownfield-Ansatzes für S/4-Transformationen?
Schuler: Die Frage zwischen Neuimplementierung oder Konvertierung kann nicht pauschal beantwortet werden, sie erfordert eine umfassende Evaluierung. Erstens:
Abhängig von Modulen und Anpassungen, aber auch von den Daten, kann eine Konvertierung technisch unmöglich sein, insbesondere, wenn das System inkonsistente Altdaten beinhaltet.
Zweitens: Ist es inhaltlich lohnenswert zu konvertieren? Nur wenn zumindest eines der bestehenden Systeme eine Prozessimplementierung inklusive Datenbestands nahe der Zielkonfiguration hat, kann eine Konvertierung überhaupt Sinn machen.
Entscheidend ist, ob die Nacharbeiten den Aufwand einer Neuimplementierung übertreffen und ob die Zielkonfiguration aus einer Konvertierung überhaupt erreicht werden kann.
Welche Verfahren und Werkzeuge empfehlen Sie für einen Landscape Transformation als Voraussetzung für eine S/4-Implementierung?
Schuler: Auch wenn eine Konvertierung möglich ist, kann ein prozessorientiertes Datenmigrationswerkzeug unabdingbar sein. Das liegt daran, dass Datenqualität kein rein technisches Thema ist:
Es müssen Experten der jeweiligen Geschäftsbereiche strukturiert einbezogen werden, um Dateninkonsistenzen und Lücken zu beheben. Andernfalls kann es passieren, dass die Neuerungen von S/4 schlichtweg nicht nutzbar sind.
Bei den Echtzeitauswertungen von operationalen Daten zum Beispiel und der optimalen Nutzung der neuen Datenstrukturen wie New General Ledger, Material Ledger oder Business Partner kann SAP S/4 Hana ohne die richtige Datenqualität so gut wie keinen Mehrwert leisten.
Und sollen weitere Systeme in das konvertierte S/4-System konsolidiert werden – und die damit verbundenen Kosteneinsparungen machen oft einen entscheidenden Teil der Profitabilitätsrechnung aus – muss manches Projekt ohne wiederverwertbares Datenmanagementkonzept gestoppt oder zumindest verschoben werden, noch bevor es wirklich begonnen hat.
Verwenden Sie in Ihren Transformationsprojekten auch den SAP Data Hub?
Schuler: Ja, wir verwenden den SAP Data Hub, aber nicht für Systemkonvertierungen, denn dafür ist er nicht gemacht, sondern:
Erstens, für replikationsfreien Zugriff auf riesige Datenbestände. Dies ist notwendig, da das Speichern enormer Datenbestände and deren Abfrage ausgeklügelte Techniken wie Hadoop MapReduce erfordert. Eine Replikation in andere Applikationen wie Business Warehouse ist daher nicht mehr möglich.
Zweitens, für massiv parallele Datenverarbeitung inklusive künstlicher Intelligenz. Der replikationsfreie Zugriff auf riesige Datenbestände erfordert enorme Verarbeitungskapazitäten, um diese den Zielanwendungen im erforderten Format zur Verfügung stellen zu können.
Und drittens, für Metadaten-Management inklusive Lineage.
Gibt es Kennzahlen für die Datentransformation bei S/4-Projekten hinsichtlich des Aufwands, Zeit, Kosten etc.?
Schuler: Ja, die gibt es, allerdings sind sie sehr spezifisch. Ich würde immer eine individuelle Bewertung empfehlen.
Müssen alle Daten eines ECC-Systems nach S/4 überführt werden oder gibt es auch Archivlösungen?
Schuler: Im Regelfall sollten nicht alle ECC-Daten überführt werden, im Besonderen nicht so wie sie sind. Konventioneller zeilenorientierter Speicher ist vergleichsweise günstig, wohingegen spaltenbasierter und In-Memory Speicher einen zum Teil erheblichen Aufschlag kostet.
Daher sollten Datenobjekte, die nicht von einer spaltenbasierten Architektur profitieren, aber auch Datenobjekte, auf die nur selten zugegriffen wird, archiviert werden.
Echtzeit-Auswertungen auf operationalen Daten erfordern zudem eine ganz neue Datenqualität. Die Daten, inklusive der Masterdaten, müssen von sich aus stimmig sein.
Welche Erfahrungen haben Sie bezüglich klassischer ECC-Datenbankgrößen in der Berechnung des Hana-Memory-Sizing?
Schuler: Der S/4-Hana-Sizing-Report als Teil eines S/4-Readiness-Checks gibt einen guten Anhaltspunkt. Allerdings würde ich immer eine Sandbox-Migration einplanen, nicht nur um den tatsächlichen Speicherbedarf zu ermitteln, sondern auch um den gesamten Konvertierungsansatz zu evaluieren.